Die Energiewende bringt in mehrfacher Hinsicht Herausforderungen für die Netze mit sich. Bislang wurden Systemdienstleistungen hauptsächlich von fossilen Kraftwerken bereitgestellt. Künftig müssen die Erneuerbaren auch diese Aufgabe übernehmen, findet Prof. Jochen Kreusel, verantwortlich für Innovationen bei Hitachi Energy, der ehemaligen Stromnetzsparte von ABB. Welche Änderungen auf Netzebene denkbar sind und wo Deutschland schon heute steht, erzählte Kreusel e|m|w-Redakteurin Stefanie Dierks im Interview.
e|m|w: Welche Herausforderungen bringt die Energiewende für die Netze mit sich?
Kreusel: Die Netze sind mit drei großen Änderungen konfrontiert. Die erste und am längsten bekannte ist die Standortkonzentration: Windkraft in Norddeutschland, Solarenergie und große Verbraucher in Süddeutschland. Das erfordert entsprechende Übertragungsnetze. Das hat man erkannt und auf den Weg gebracht. Es dauert zwar noch, bis die Leitungen verfügbar sind, aber ich mache mal einen Haken dran. Zweite große Änderung ist die Dezentralität. Wir werden irgendwann ganz viele, ganz kleine Erzeugungseinheiten haben, die wir koordinieren müssen, damit weiterhin jederzeit genau die Nachfrage gedeckt wird. Dafür brauchen wir Digitalisierung und die entsprechende digitale Durchdringung der Netze. Die haben wir bislang noch nicht. Was wir haben, ist das Internet. Darüber die Netze zu steuern – etwa beim Smart Home – ist aber eine gefährliche Entwicklung, weil man die digitale Sicherheit damit dem Endverbraucher überlässt.
Stellen Sie sich vor, ein Hacker schaltet die Ladevorgänge von ein paar Millionen Elektrofahrzeugen ab – das würde dem System nicht guttun. Geräte, die über eine digitale Schnittstelle ihre Leistungsaufnahme beeinflussen können, sollten daher vom Netzbetreiber zertifiziert werden und einen Netzkodex erfüllen müssen, sonst dürfen sie nicht installiert werden. Mit der Frage der Dezentralität hat man sich insgesamt noch nicht ausreichend beschäftigt…
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